2021-08-22-14.21.30.jpg

Ehemaliges Wohnhaus von Ernst Wollweber im Bodenmaiser Weg
Foto: Henrik Schwarz, 2021

Karte zeigen

Spionage und Sabotage

kriegundfrieden

Sie stehen vor dem Haus Bodenmaiser Weg 2 an der Ecke Arberstraße. Im diesem Haus wohnte einst Ernst Wollweber, der direkte Vorgänger von Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit.

Ernst Wollweber (1898 – 1967) war ein deutscher Politiker, schuf ab 1935 eine weltweit agierende Sabotageorganisation zur Bekämpfung der Marine faschistischer Staaten. Von 1953 bis 1957 leitete er das Staatssekretariat bzw. das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR (MfS). Er leitete das Amt mit harter Hand, Abtrünnige wurden hingerichtet. Da er gegen Walter Ulbricht opponierte wurde er zur Unperson (Persona non grata) erklärt und aus seinen Ämtern entfernt.  Sein direkter Nachfolger wurde sein vorheriger Stellvertreter Erich Mielke, der das Amt dann bis zum Ende der DDR inne hatte.

Von 1916 bis 1918 diente Ernst Wollweber in der U-Boot-Abteilung der Kaiserlichen Marine, er nahm am Kieler Matrosenaufstand teil, wurde Vorsitzender des Soldatenrates des U-Boot-Kreuzerverbandes und Mitglied des Kieler Gesamtsoldatenrates. 1919 trat er in die KPD ein. Gegen die im Waffenstillstandsabkommen vorgesehene Auslieferung der deutschen Hochseeflotte an Großbritannien versuchte Wollweber die handstreichartige Besetzung der wichtigsten Kriegsschiffe und deren Auslieferung an Sowjetrußland zu organisieren, der Plan scheiterte jedoch im Januar 1919. Wollweber nahm an den Märzkämpfen 1921 teil und wurde Mitglied des Zentralausschusses der KPD. Er besuchte die Erste Militärschule in Moskau und wurde Verbindungsmann zur Sabotageabteilung der Roten Armee. 1924 wurde Wollweber wegen seiner Teilnahme an den Märzkämpfen wegen Hochverrats angeklagt und bis 1926 inhaftiert. Von 1928 bis 1932 war er Mitglied des Preußischen Landtages und danach, bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933, Mitglied des Reichstages.

Seit 1932 war er Reichsleiter des „Einheitsverbands der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer“ in Hamburg, ebenso seit 1932 Leiter der Org.-Abteilung des Zentralkomitees der KPD und Mitglied des Sekretariats des Exekutivkomitees der International Union of Seamen and Harbour Workers (ISH). Nach der Machtübergabe an die NSDAP arbeitete er zunächst illegal in Deutschland, erhielt aber im Mai 1933 aus Moskau den Befehl, sich nach Kopenhagen abzusetzen und dort die Exilleitung der ISH zu übernehmen. 1935 wurde er vom Büro für Sonderaufgaben des NKWD beauftragt, eine geheime Sabotageorganisation aufzubauen, die – von den skandinavischen Ländern, Belgien und den Niederlanden aus – gegen die Marine faschistischer Staaten (der späteren Achsenmächte Deutschland, Italien, Japan…) operierte. Die Wollweber-Organisation wurde schon bald durch Verhaftungen dezimiert. Wollweber selbst konnte nach der deutschen Besetzung Norwegens 1940 nach Schweden fliehen, wurde dort aber sogleich inhaftiert. Ein Tauziehen zwischen Deutschland und der Sowjetunion um seine Auslieferung endete im November 1944 mit seiner Ausreise in die UdSSR.

Wollweber kehrte im März 1946 nach Deutschland in die Sowjetische Besatzungszone zurück und wurde Mitglied der neu gegründeten SED. Im Jahr 1947 stieg Wollweber vom stellvertretenden Leiter zum Leiter der Generaldirektion Schifffahrt auf. 1950 wurde er Staatssekretär des Ministeriums für Verkehr und 1953 Staatssekretär für Schifffahrt. In dieser Funktion scheint er im Auftrag der Sowjets mehrere konspirative Ausbildungsstätten unterhalten zu haben, in denen kommunistische Seeleute aus dem Westen für Schmuggel-, Spionage- und Sabotageoperationen ausgebildet wurden. 1953 übernahm Wollweber als Staatssekretär die Leitung des MfS unter gleichzeitiger Ernennung zum Stellvertreter des Ministers des Innern und richtete sein Hauptaugenmerk auf westliche Geheimdienste, vor allem die Organisation Gehlen und späterer Bundesnachrichtendienst (BND). In zahlreichen Reden stellte er Erfolge beim Enttarnen und Verurteilen vermeintlicher Spione heraus, nicht zuletzt um das Staatssekretariat wieder zum Ministerium aufgewertet zu sehen. Sein Vorgänger Wilhelm Zaisser hatte vergeblich versucht, den diktatorisch regierenden ZK-Vorsitzenden Walter Ulbricht zu entmachten und den 1952 beschlossenen Aufbau des Sozialismus zu stoppen, der am 17. Juni 1953 zum Aufstand geführt hatte. Dafür war er gestürzt worden, und weil seine Behörde den Aufstand weder vereitelt noch auch nur vorhergesehen hatte, wurde das MfS für zwei Jahre zu einem Staatssekretariat herabgestuft. 1954 erhielt Wollweber den im selben Jahr gestifteten Vaterländischen Verdienstorden der DDR. Von 1954 bis 1958 war er außerdem Mitglied der Volkskammer und des Zentralkomitees der SED.

Die Amtsführung von Wollweber war in den Jahren 1953 bis 1955 durch ausgesprochene Härte gekennzeichnet. Im Einvernehmen mit der SED-Führung und den sowjetischen Beratern entwickelte Wollweber die Offensivstrategie der „konzentrierten Schläge“, stabsmäßig geplante Verhaftungswellen gegen aktive Regimegegner, die von Propagandakampagnen flankiert wurden. Bis zum Frühjahr 1955 gab es mehrere aufeinanderfolgende Verhaftungswellen. Charakteristisch für diese Phase war auch der gnadenlose Umgang Wollwebers mit abtrünnigen Mitarbeitern, von denen mindestens sieben aus dem Westen „zurückgeholt“ und hingerichtet wurden. Wollweber konzentrierte sich auf organisatorische und kaderpolitische Probleme sowie auf die grundsätzlichen politischen Fragen. Das operative Tagesgeschäft überließ er weitgehend Mielke. Ab Frühjahr 1955 betrieb Wollweber auf Veranlassung der Sowjets den massiven Ausbau der Westarbeit der Staatssicherheit auf Kosten der inneren Überwachung, was ihm später von Ulbricht ebenso zum Vorwurf gemacht wurde wie der Personalabbau, den er 1956 mit Nachdruck betrieb. Wollweber verfolgte jetzt eine begrenzte Entstalinisierung der Staatssicherheit, sein Einfluss blieb aber begrenzt, nicht zuletzt weil ihn in der entscheidenden Phase im Sommer 1956 ein Herzinfarkt für einige Zeit außer Gefecht setzte. Als er im November 1956 wieder genesen war, traf er auf einen politisch gestärkten Ulbricht, der das Tauwetter beendete und zielstrebig an einer Neuausrichtung des MfS auf die Bekämpfung der „ideologischen Aufweichung“ arbeitete, die er als die aktuelle politische Hauptgefahr betrachtete. Wollweber, zu dem Ulbricht nie ein Vertrauensverhältnis gehabt hatte, war ihm dabei im Weg. Ulbricht ließ Schauprozesse gegen kritische Parteiintellektuelle inszenieren (Wolfgang Harich, Walter Janka und andere), die den hochverräterischen Charakter „revisionistischer“ Reformideen entlarven sollten, und verschaffte sich über Mielke direkten Zugang zu den betreffenden Ermittlungsakten. Darauf reagierte Wollweber im Januar 1957 mit einem Befehl, der seinen Stellvertretern eigenständige dienstliche Verbindungen zur Parteiführung verbot, was Ulbricht als Insubordination (also Verweigerung des Gehorsams gegenüber Vorgesetzten) auffasste.

Wollweber erklärte am 31. Oktober 1957 „krankheitsbedingt auf eigenen Wunsch“ seinen Rücktritt. Nachfolger wurde sein Stellvertreter Erich Mielke. 1958 wurde gegen ihn ein Verfahren wegen „Verstößen gegen das Parteistatut“ eingeleitet, weiterhin wurde er zusammen mit Karl Schirdewan wegen „fraktioneller Tätigkeit“ aus dem ZK der SED ausgeschlossen. Er erhielt eine „strenge Parteirüge“ und musste sein Mandat für die Volkskammer niederlegen. Er stand in der Folgezeit unter Beobachtung des MfS und lebte zurückgezogen als Rentner und Memoirenschreiber am Obersee in Alt-Hohenschönhausen und hier in seiner Zweitwohnung in der Arberstr. 16 (Ecke Bodenmaiser Weg) in Karlshorst. Sein Grab befindet sich auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde (der Gedenkstätte der Sozialisten) in Berlin-Lichtenberg.

Die nächste Station befindet sich nur wenige Meter entfernt hier im Bodenmaiser Weg.