Sie stehen vor der Einfahrt zur Außenstelle des Bundesamts für Strahlenschutz (kurz BfS) in Berlin-Karlshorst. Bereits seit den 1960er-Jahren hatten am heutigen Standort des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) in Berlin-Karlshorst das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR (SAAS) und seine Vorgängerorganisation ihren Sitz. Mit der Wiedervereinigung wurde das SAAS 1990 aufgelöst und Teile seiner Aufgaben, Gebäude sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 1989 in der BRD gegründeten BfS übernommen. Ein großer Umbruch, der auch das Gesicht des Standortes deutlich veränderte. Auf dem Gelände findet sich auch die sogenannte Die Kammer des Schreckens: Der Ganzkörperzähler in Karlshorst.
Der Ganzkörperzähler befindet sich in einem kreisrunden Gebäude, welches im hinteren Bereich des Geländes zu finden ist. Hier kann man seinen Körper aber auch Gegenstände aller Art auf den Grad atomarer Verstrahlung testen lassen. Zuletzt gab es großen Andrang nach der Atomkatastrophe von Fukushima in 2011. Über 250 Menschen hatten von dem Service Gebrauch gemacht. Vor allem Dienstreisende und Beschäftigte von deutschen Firmen in Japan. Sie wollten sichergehen, dass sie keine gefährliche Radioaktivität im Körper mit nach Hause gebracht haben. Normalerweise werden hier Menschen untersucht, die beruflich mit Radioaktivität zu tun haben. Medizinisches Personal, Vielflieger und Beschäftigte der Atomwirtschaft. Aber solange es Atomkraft gibt, kommt es leider auch ab und an zu einer Katastrophe. Selbst höchste Sicherheitsmaßnahmen werden das nicht verhindern können. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der Ganzkörperzähler ist eine Art monströse Maschine oder riesiger Geigerzähler, welcher von englischen Spezialisten Anfang der 70er Jahre im Auftrag der DDR-Strahlenschutzbehörde gebaut wurde. Die ganze Maschine ist einfach zu schwer, um sie wegzuschaffen zu können und so ist sie auch heute noch hier in Betrieb. Sie wird von einem Techniker betrieben, welcher sich einmal im Monat selbst durchmessen lässt. Diese Werte sind dann die Normwerte, an denen sich die Abweichungen orientieren. Der Techniker stellt quasi den Nullkörper dar und ist, wenn man so will, somit ein Teil der Maschine.
Es gibt meterdicke Betonwände und eine fensterlose Kammer, die aus dem Stahl eines gesunkenen Panzerkreuzers gebaut wurde. Man brauchte für die Kammer Material aus den 1940er Jahren, welches radioaktiv noch völlig unbelastet war. Material also, was vor der Zeit der ersten Atomtests hergestellt wurde. Da passte ein in der Ostsee gesunkener Panzerkreuzer ganz hervorragend. Das benötigte Material wurde unter Wasser aus dem Rumpf heraus geschweißt. Jeder Stahl welcher später geschmiedet wurde ist radioaktiv verunreinigt, strahlt entsprechend selbst und verfälscht damit die Messwerte.
Nach Tschernobyl wurde hier im Dreischichtsystem gearbeitet. Rund um die Uhr wurden Menschen gemessen und Lebensmittel wie Milch, Gemüse, Schweinehälften, einfach alles. Die DDR-Medien haben Tschernobyl eher runtergespielt, die Strahlenschutzbehörde hat den Unfall aber sehr ernst genommen. So wurden nach der Katastrophe im Jahr 1986 auch viele Kinder aus Prypjat und weiteren verstrahlten Gegenden mit Bussen hier nach Karlshorst gebracht, um sie im Ganzkörperzähler durchzumessen, also den Grad der Verstrahlung festzustellen. Die ganze Reise aus der Ukraine in die DDR war als Erholungsreise angelegt. Einige schöne Wochen in DDR-Kinderferienlagern zum Beispiel. Die Kinder wurden einzeln auf eine Art Pritsche unter der Messanordnung gelegt. Aber es gab Licht und einen Panikknopf. Dann begann die 20 minütige Messung.
Die Außenwände des Zählers sind mit Furnierplatten verkleidet, er erinnert an eine Schrankwand aus den Siebzigern. Es gibt eine dicke Schleusentür mit entsprechendem Warnpiktogramm. An der Innenwand ist eine kleine hölzerne Lautsprecherbox befestigt, damit die Probanden, während ihr Körper auf inkorporierte Nuklide durchsucht wird, Musik hören können. Die Musik soll der klaustrophobischen Stimmung in der Kammer entgegenwirken.
Um zur nächsten Station zu gelangen, folgen Sie der Köpenicker Allee bis zur nächsten Kreuzung und biegen Sie dann in die Straße am Am alten Flugplatz (früher Straße am Heizhaus) ein. Das Heizhaus wurde abgerissen, die Flugzeughanger des ehemaligen Flugfeldes hingegen existieren noch…